
Die Rhythmische Sportgymnastik (RSG) gehört zu den kompositorischen Sportarten mit kompliziert koordinativen Bewegungsstrukturen und ist sowohl eine sportliche als auch künstlerische Disziplin, wie zum Beispiel Gerätturnen und Eiskunstlaufen. Die Schönheit dieser Disziplinen wirkt dabei wie ein Magnet auf das Publikum. Bisher ist die Rhythmische Sportgymnastik als Wettkampfsport ausschließlich Mädchen vorbehalten. Im Einzelwettkampf werden Kürübungen mit den Handgeräten Seil, Reifen, Ball, Keulen und Band geturnt. In einem olympischen Zyklus scheidet jedoch immer ein Handgerät aus und es wird ein Kürvierkampf ausgetragen. Für die Kinder- und Schülerklassen gibt es zusätzlich zu den Übungen mit Handgeräten eine Übung ohne Handgerät. Im Gruppenwettkampf turnen fünf Gymnastinnen gleichzeitig auf einer Fläche und zeigen eine Kürübung mit fünf gleichen Handgeräten und eine mit zwei verschiedenen.
Die Übungen von heute sind gekennzeichnet durch spielerische Leichtigkeit, Eleganz, vollkommene Körperbeherrschung und perfekte Beherrschung der Handgeräte. Diese angestrebte Eleganz erfordert eine gute tänzerische Grundausbildung, welche beispielsweise durch Ballett erreicht werden kann.
Seit den 80er Jahren dominieren v. a. Bulgarien und die Sowjetunion die RSG. Auch nach Teilung der UdSSR in die einzelnen Staaten, Russland, Weißrussland, Ukraine, etc, bestimmen diese immer noch das Geschehen. Nur in den Gruppenwettkämpfen ist es Westeuropäern möglich vordere Platzierungen zu erreichen. Zum Beispiel wurde bei der Premiere 1996 Spanien Olympiasieger. Inzwischen kämpfen auch die Italienerinnen und Griechinnen um vordere Platzierungen. Die deutsche Nationalgruppe hat bei den olympischen Spielen 2000 in Sydney den vierten Platz erreicht. Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen werden bei internationalen Meisterschaften Medaillen im Mannschaftswettkampf, bei dem drei Gymnastinnen eines Landes insgesamt acht Übungen zeigen, Medaillen im Einzelmehrkampf, bei dem alle vier Übungen mit in die Gesamtwertung einfließen, und Medaillen mit den einzelnen Handgeräten.
Aus der Geschichte der Rhytmischen Sportgymnastik
Die ersten Wettkämpfe in der RSG wurden 1942 in der ehemaligen Sowjetunion ausgetragen. 1961 ist die noch junge Sportart im internationalen Turnerbund –FIGaufgenommen worden und die erste Weltmeisterschaft fand 1963 in Budapest statt. Seitdem werden alle zwei Jahre Weltmeisterschaften durchgeführt. Die Einführung einer international gültigen Wertungsvorschrift 1970 trug wesentlich zur Profilierung der Sportart bei. Es dauerte noch einige Jahre, bis die Sportart 1984 in Los Angeles an olympische Sommerspielen teilnehmen durfte. Bei der olympischen Premiere dieser Disziplin waren allerdings zunächst nur Einzelgymnastinnen zugelassen. 1996 in Atlanta durften erstmals Gruppen starten. Um mehr Gruppen zu den Spielen mitnehmen zu können, wurde die Anzahl der Gymnastinnen von sechs auf fünf Gymnastinnen pro Gruppe gekürzt.
Bewertung der RSG: Der Code de Pointage
Die international gültigen Wertungsvorschriften für Einzelgymnastinnen und Gruppen stellen äußerst komplexe Wettkampfanforderungen dar. In jedem Olympiazyklus erscheint ein neuer Code de Pointage und jedes Jahr gibt es diesbezüglich Änderungen und Neuerungen. Grundsätzlich besteht das Programm für Einzelgymnastinnen aus vier Übungen mit vier der fünf Handgeräten. Die Dauer der Übung beträgt zwischen 1’15’’ Minuten und 1’30’’ Minuten. Auf das Programm für Gruppen soll der Übersichtlichkeit wegen nicht näher eingegangen werden. Die folgenden Erläuterungen zum Code de Pointage beziehen sich ausschließlich auf Seniorinnen.
Kampfgericht
Die Zusammensetzung des Kampfgerichts bei offiziellen Meisterschaften besteht aus den folgenden drei Gruppen:
Ausführung (B) (4 Kampfrichter): Sie bestimmen die Ausführungsfehler.
Artistik (KW) (4 Kampfrichter): Sie bestimmen den künstlerischen Wert der Übung. Dies beinhaltet die Choreographie, d.h. Wahl der gerättechnischen und körpertechnischen Elemente, Raumausnutzung, Körpereinsatz, etc., die Musikbegleitung, d.h. wie die Choreographie und die Musik zusammenpassen und Mastery, welche sich aus außerordentlichem Können mit dem Gerät und Originalität zusammensetzt.
Schwierigkeit (TW) (4 Kampfrichter): Sie bestimmen den technischen Wert der Übung, d.h. Anzahl und Niveau der Schwierigkeiten in der Übung.
Bei jedem Wettkampf gibt es zusätzlich noch eine Jury- Control, die parallel zu den KampfrichterInnen die Übungen der Gymnastinnen bewerten und gegebenenfalls eingreifen, falls sie der Ansicht sind, dass Wertungen daneben liegen, d.h. zu hoch oder zu niedrig sind.
Des Weiteren gibt es auch noch die Kampfrichter- Assistentin. Sie nimmt Abzüge vor, wenn beispielsweise ein Handgerät die Wettkampffläche verlässt, die Dauer der Übung zu kurz bzw. zu lang ist oder die Handgeräte nicht regelkonform sind.
Allgemein sind für Fehler folgende Abstufungen möglich: 0,1 Punkte für kleine Fehler, 0,2 Punkte für mittlere Fehler und 0,3 Punkte und mehr für grobe Fehler. Kleine Fehler sind beispielsweise ungestreckte Knie und Füße, mittlere Fehler sind fehlende Höhe in einem Sprung, schwerfällige Landung nach einem Sprung und grobe Fehler beziehen sich auf Geräteverluste, Gleichgewichtsverluste während eines Standes, etc. Die Kampfrichterinnen vergeben jeweils maximal 10,00 Punkte. Dabei wird von den zwei mittleren Noten der insgesamt vier Noten der Mittelwert berechnet. Dieser fließt dann mit in die Gesamtnote ein, die sich folgendermaßen zusammensetzt (Wertungsvorschriften, Rhythmische Gymnastik, 2005):
KW + TW
----------- + B = 20
2
Die Wettkampffläche ist 13 mal 13 Meter groß und jedes Verlassen, bei dem ein Körper- oder Geräteteil außerhalb der vorgeschrieben Abgrenzung den Boden berührt, wird mit 0,2 Punke bestraft.
Jeder ungewollte Gerätverlust wird von den Kampfrichterinnen- Ausführung abgezogen. Dies sind 0,3 Punkte, wenn das Handgerät sofort oder nach einem Schritt aufgenommen wird, zum Beispiel der Ball, der nur einmal kurz aufprellt und dann wieder in der Hand der Gymnastin ist und 0,5 Punkte Abzug bei Platzveränderung, also bei mehr als einem Schritt, genauso wie beim Verlassen der Wettkampffläche oder am Ende der Übung, unabhängig von der Distanz des Gerätverlustes.
Ausführung:
Ausführungsfehler werden jedes Mal bestraft. Hierzu gehören Geräte Verluste, Fehler in der Gerät- und Körpertechnik, wie zum Beispiel unkorrekte Handhabung mit dem Reifen, fehlender Synchronismus der Keulen Rotationen während der Flugphase, Veränderungen in der Band Zeichnung, falsche Haltung mehrerer Körperteile während der Übung, fehlende Höhe oder schwer fällige Landung bei Sprüngen, unklare und nicht fixierte Form während der Körperteilfetischen Schwierigkeiten, etc.
Künstlerischer Wert:
Artistik Der künstlerische Wert setzt sich zusammen aus 1,00 Punkte Musik, 2,00 Punkte Basis Komposition und 7,00 besondere künstlerische Merkmale (BKM). Eine Übung muss von Anfang bis Ende musikalisch begleitet werden, dies kann entweder von einem oder mehreren Instrumenten oder von einer als Instrument verwendeten Stimme geschehen.
Wertungsgrundsätze
Gymnastin oder Gerät außerhalb der Wettkampffläche
Verlust und Wiederaufnahme des Handgeräts
Bewertung
Das Video über die Regeln, Ausführung und Bewertung in der RSG
- das Video ist auf russisch -
Bei der Zusammenstellung einer Choreographie ist darauf zu achten, dass diese von Anfang bis Ende durch ein einheitliches Kompositionsgefüge gekennzeichnet ist, unter Verwendung aller möglichen körper- und gerättechnischen Bewegungen. Für die Wahl der gerättechnischen Elemente bedeutet dies, dass aus allen gerättechnischen Gruppen gleichmäßig ausgewählt werden soll. Außerdem muss eine Gymnastin von Anfang bis Ende mit dem Handgerät in Kontakt sein und das Handgerät muss während der ganzen Übung in Bewegung bleiben. Dabei ist auf eine ausgewogene Arbeit mit der rechten und linken Hand zu achten. Zudem gibt es einen Abzug von 0,3 Punkten, wenn das Handgerät bei mehr als einem Element gehalten wird. Dies bezeichnet man als Statik.
Bei der Wahl der körpertechnischen Elemente ist darauf zu achten, dass keine andere Körpertechnik, als die für das jeweilige Handgerät obligatorisch ist, im Vordergrund steht. Die obligatorischen Körperelemente sind aus der Tabelle 1 zu entnehmen. Darüber hinaus muss jedes körpertechnische Element mit einer Gerätetechnik verbunden sowie so abwechslungsreich wie möglich sein. In einer Übung ist es auch erlaubt akrobatische Elemente zu turnen, diese dürfen allerdings keine Flugphase aufweisen oder mit Stillstand in der vertikalen Position ausgeführt werden.
Abwechslungsreichtum wird ebenfalls hinsichtlich Dynamik und Raumausnutzung, d.h. Richtungen, Raumwege, Ebenen und Bewegungsformen verlangt. Die besonderen künstlerischen Merkmale (BKM) beinhalten Verwendung der Handgeräte, Mastery und Originalität. Verwendung der Handgeräte sind speziell ausgeschriebene Elemente meist in Verbindung mit einer körpertechnischen Schwierigkeit, zum Beispiel aktives Prellen des Balles mit einem Körperteil außer den Händen.
Als Mastery bezeichnet man außerordentliches Können und Beherrschung des Handgeräts. Dies sind große Würfe, welche zum Beispiel ohne Hilfe der Hände, außerhalb des Gesichtsfeldes oder während eines Sprung abgeworfen werden und Fangen von großen Würfen, zum Beispiel ohne Hilfe der Hände, außerhalb des Gesichtsfeldes oder unter einem Bein. Originalität gibt es nur für neue Schwierigkeiten. Diese müssen während des Podiumstrainings beim Technischen Komitee und den FIG- Kampfrichterinnen eingereicht und genehmigt werden.
Technischer Wert:
Schwierigkeit Die Übung darf höchstens 18 Schwierigkeiten von einem Maximalwert von 10,00 Punkten beinhalten. Der Gesamtwert ergibt sich durch Addition der einzelnen Schwierigkeiten. Hierbei müssen mindestens sechs Schwierigkeiten aus der obligatorische Gruppe gewählt werden und maximal zwei aus der anderen Gruppen.
Die obligatorische Körpertechniken sind:
Seil - Spunge
Ball - Beweglichkeitselemente, Pirouetten
Keulen - Gleichgewichtselemente
Reifen - alle 4 Gruppen.
In der Übung mit dem Reifen müssen die Schwierigkeiten ausgewogen sein, d.h. keine körpertechnische Gruppe darf um mehr als zwei Schwierigkeiten überwiegen. Man sollte zum Beispiel drei bis vier Schwierigkeiten aus jeder Körperelementkategorie einbauen und dann die restlichen Schwierigkeitselemente mit denjenigen Körpertechniken auffüllen, die eine Gymnastin besonders gut beherrscht. Dabei muss man beachten, dass man die maximale Anzahl von 12 höchstens zwei zusätzlichen Schwierigkeiten nicht überschreitet, d.h. wenn man nur drei Pirouetten hat, darf man höchsten fünf aus einer anderen Kategorie wählen. Die Schwierigkeiten haben einen Wert von A= 0,1 Punkte, B= 0,2 Punkte usw. bis J= 1,0 Punkte. Eine doppelte Passédrehung ist beispielsweise eine B-Schwierigkeit und besitzt somit den Wert von 0,2 Punkten. Jede Schwierigkeit darf nur einmal verwendet werden und muss mit einer Gerättechnik verbunden sein. Ansonsten geht sie nicht in die Wertung ein.
Allgemein werden die Köperelemente in Haupt- und Nebengruppen aufgeteilt. Hauptgruppen sind gültig für die Schwierigkeiten und bestehen aus Sprüngen, Gleichgewichtselementen, Pirouetten und Beweglichkeitselementen bzw. Körperwellen. Nebengruppen sind gültig für Verbindungen und bestehen aus Fortbewegungselementen, Hüpfer, Drehungen, Schwüngen und Kreisen und rhythmischen Schritten. Die Kampfrichterin geht bei der Bewertung der Übung folgendermaßen vor: Sie kontrolliert, ob die Gymnastin die auf der Liste vorgegebenen Schwierigkeiten so ausführt, dass sie gültig sind; sie streicht die ungültigen Schwierigkeiten. Sie teilt die entsprechende Note zu. Sie nimmt, falls notwendig, die entsprechenden Abzüge vor.
Die Gymnastin muss im Voraus, meist zwei bis drei Wochen vor einem Wettkampf, schriftlich und unter der Verwendung der Symbol schrift auf dem offiziellen Formblatt die Folge der Schwierigkeiten einreichen. Hat sie kein Formblatt abgegeben, darf sie an dem Wettkampf nicht teilnehmen und falls es falsch ausgefüllt wird, zum Beispiel falsches Symbol oder falsche Wertigkeit einer Schwierigkeit, gibt es einen Abzug von 0,5 Punkten.
Die Kinderklassen teilen sich wie folgt ein:
KLK 10, KLK 9, KLK 8, KLK 7 und KLK 6.
In der KLK 10 turnen die Mädchen einen Kürvierkampf mit den Handgeräten Seil, Reifen, Ball und eine Übung ohne Handgerät. In der KLK 9 zeigen sie einen Kürdreikampf mit den Übungen ohne Handgerät, Reifen und Keulen, in der KLK 8 turnen die Gymnastinnen eine Kürzweikampf mit den Übungen ohne Handgerät und Seil und die KLK 7 zeigt nur eine Übung ohne Handgerät. Dabei sind im technischen Wert nur A- und B-Schwierigkeiten bzw. in der KLK 10 auch C-Schwierigkeiten erlaubt. Im Gegensatz zu den Senioren müssen in einer Übung auch nur sieben Schwierigkeiten in der KLK 7 und 8, 10 Schwierigkeiten in der KLK neun bzw. 12 Schwierigkeiten in der KLK 10 enthalten sein. Im künstlerischen Wert gibt es ebenfalls einen Punkt für Musik und zwei Punkte für Basiskomposition. Statt sieben Punkte BKM dürfen die Gymnastinnen nur fünf bzw. sechs (KLK 10) BKM in ihre Übung einbauen. Daher unterscheidet sich dieser Wert immer hinsichtlich der maximalen Gesamtpunktzahl.